Baum-Liebhaber müssen jetzt unbedingt ins Museum! Nein, weder Gemälde noch Fotos von Bäumen anschauen. Sondern auf nach Rapperswil bei Zürich. Dort steht das Baummuseum, bislang wohl einzigartig in der Welt! Kein Gebäude, sondern ein grandioser Park, in dem majestätische, bizarre, beeindruckende Bäume wie Kunststücke inszeniert sind. Das sind sie ja auch. Bäume wurden schon immer von uns geschätzt und wir entdecken es gerade wieder neu. „Nichts ist heiliger, nichts ist vorbildlicher als ein schöner, starker Baum“, fand schon der der Dichter Hermann Hesse.
Ebenso ergeht es heute dem Schweizer Enzo Enea. Der Züricher, ein Star der internationalen Gartenkünstler-Szene, hat ein etwas spleeniges Hobby. Während andere Männer junge Frauen, rassige Sportwagen, teure Uhren oder alte Weine sammeln, gehört seine Passion alten charaktervollen Bäumen. Seit 17 Jahren ist er ihnen verfallen. Dabei hat ihn diese Liebe nicht einmal viel Geld gekostet: die meisten Bäume wären auf dem Abfall oder im Kamin gelandet, standen im Weg bei neuen Gartenprojekten, die er für Kunden entwerfen sollte. Anstatt sie zu entsorgen, landeten die ungeliebten Grün-Stücke auf einem speziellen Gelände bei Enea. Wurden neu angepflanzt, gehätschelt und wuchsen tapfer weiter in den blauen Schweizer Himmel.
Von dort bekam Enea dann sozusagen ein Gottesgeschenk. Auf einem großartig über dem Oberen Zürichsee gelegenen Areal durfte er seine komplette neue Firmenanlage gestalten – und das Baummuseum. Das Terrain gehört der Zisterzienserinnen-Abtei Mariazell-Wurmsbach. Die Nonnen gewährten es Enea für 99 Jahre in Erbpacht, offensichtlich beeindruckt von seinem Respekt vor der Natur und der Liebe zu alten Bäumen, „für mich ist das kein Trend, sondern Schöpfung“, bekannte er gerade erst in einem Interview mit einer Schweizer Zeitung.
So ist ein grandioser, 75 000 Quadratmeter großer Park mit Panoramblick auf den See entstanden. Eine imposante Allee aus 40 Jahre alten Sumpf-Zypressen ( die stammen ganz klassisch aus einer Baumschule und kosten alleine ein Vermögen ) säumt die Eingangs-Allee. Dann verliert sich der Besucher in einem Freilicht-Museum, in dem Bäume als kostbare Solitäre präsentiert werden. Denn sie sind gepaart mit großen weißen Steinquadern, die wie riesige Bauklötze zu Arkaden, Torbögen, Wänden gestapekt sind. Es mutet ein bisschen wie eine antike Ruinen-Landschaft an, gibt den Bäumen aber dadurch noch mehr Wirkung, stellt sie wie in eine Vitrine. Eine beeindruckende LAND-ART-Szenerie, eingebettet zwischen feinsten Rasen, Hecken und Staudenbeete.
Über 50 Bäume konkurrieren im Baummuseum um Aufmerksamkeit. Einer ist bizarrer, schöner und älter als der Andere, alle zwischen vierzig und hundert Jahren und heimisch, das heißt im Laufe von Jahrhunderten in Mitteleuropa akklimatisiert.„Nach Rapperswil, nur um ein paar alte Bäume anzuschauen?“ lacht Enea beim Rundgang, „ja, unbedingt: Bäume sind wunderbare Lebewesen, sie sind uns sooo überlegen an Alter und Beständigkeit, sie sind mächtig, kraftvoll“, er zeigt auf einen hundert Jahre alten Fächer-Ahorn, den er aus einem Züricher Privatgarten rettete, „sehen Sie, welch schönen Schatten er spendet“. Sein Museum – ein prachtvoller Park mit Café in einem Viktorianischen Glashaus – versteht er als Huldigung an den Baum an sich: „Hier kann man seine vielfältige Schönheit bewundern!“ Beispielsweise ein skurril verzweigter Japanischer Aprikosenbaum oder ein mächtiger Zierapfel, über 60 Jahre alt, mit schirmförmiger Krone, der in einem Kübel thront. Oder ein bizarr gewachsener Eisenholzbaum, „ der bekommt eine fantastische Herbstfärbung!“ Kleinode sind die in trichterförmige Spaliere getrimmten hundertjährigen Winterlinden, „so liebte es schon Ludwig XIV. in Versailles“, erklärt Enea. Weniger artifiziell, dafür schlicht anmutig wirkt eine pyramidenförmige Lärche vor einem kantig-geometrischen Torbogen platziert, der das zarte Grün noch besser zur Geltung bringt. Hartes trifft auf Weiches, Architektur auf Natur – und alles verschmilzt zu einer erstaunlich harmonischen Symbiose. Ohne die kantig-klotzige Architektur würden sich alle Bäume zu einem grünen Allerlei vermischen. So aber werden ihre Silhouetten hervorgehoben, akzentuiert, jeder für sich ein solitärer Schatz, der Aufmerksamkeit verdient.
Wie Enea es geschafft hat, die alten Schätze neu anzusiedeln ohne dass sie, wie in professionellen Baumschulen, von Jugend an fachgerecht verschult wurden? „Mein Geheimnis“, grinst er und seine blauen Augen blitzen im gebräunten Gesicht. Er könnte auch ein toskanischer Weinbauer sein, sein Vater ist Italiener und handelte mit Terrakotta-Gefäßen aus Impruneta – damit fing alles an. Sohn Enzo ist heute ein international gefragter Gartenarchitekt, hat über 200 Gärten angelegt und 146 Angestellte. Und was hält er von Fürst Pückler? Der Parkomane ließ auch einst tollkühn alte Bäume aus- und umpflanzen. Enea lacht „ Das war auch ein Freak!“ 200 Jahre nach Pückler gibt’s es wieder einen Verrückten, der Bäume über alles liebt. Gruezi – auf nach Rapperswil!
Fotos: © Martin Rütschi
ENEA GmbH, Rapperswil-Jona, Schweiz
www.enea.ch/baummuseum