Garden-Hopping

in Südengland

Bilder oben: Haus und Garten ‚Bateman’s’, der Wohnsitz des Literatur-Nobelpreisträger Rudyard Kipling

Der Winter ist die richtige Zeit für die Planung zukünftiger Gartenreisen. 

In England hat man die Qual der Wahl. Um sie zu erleichtern, hier Tipps für ganz besondere Paradiese im Süden, jenseits von Sissinghurst, Stowe und Stourhead.

Wir haben in Englands südwestlicher Countryside ein Rendez-vous mit dem Hochadel: Comte de Chambord, Duchesse d’Angoulême, Prinzess Louise, Cardinal de Richelieu und die Königin von Dänemark. Die Haute volée historischer Rosen ist im Garten von Mottisfont Abbey (Hampshire) versammelt. Fragile extravagante Diven, mit splendid gefüllten Blüten und subtilen Farbnuancen, eine schöner als die andere. Die meisten der 300 Sorten sind „oldfashioned“, alte Rosen. Ein überwältigendes Blütenmeer wölbt sich über Pergolen, Rankgerüste, Torbögen und Backsteinmauern des ehemaligen Küchengartens.

Mottisfont ist im Juni/ Juli das Mekka für Rosen-Enthusiasten aus aller Welt. Angeführt von den Briten selbst, ihre ‚National Rose Society’ von 1867 ist der älteste Rosenverein der Welt und mit über 100 000 Mitgliedern wohl auch der Größte. Historische Rosen blühen im Gegensatz zu modernen Verwandten zwar meist nur einmal im Jahr. Doch die ephemere Pracht entschädigt mit betörenden Düften. „Wir möchten Sie daher bitten nicht im ummauerten Garten zu rauchen!“ Das ist bei dieser olfaktorischen Orgie nicht exzentrisch, sondern sehr einfühlsam. Wir neigen unsere Nasen in das elegante Parfüm der purpurroten ‚Mme Isaac Péreire’, saugen den Myrrhe-Duft der gefüllten  Kletterrose ‚Constance Spry’ auf, inhalieren das süßliche Odeur aus dem puscheligen Blütenkopf der rosaroten Strauchrose ‚Jaques Cartier’.

Das Reich der Rosen schuf ab 1972 der Experte Graham Thomas. Die kurze Blütezeit der Noblen kaschierte er kunstvoll durch Kombination mit ungestüm blühenden Stauden. Den schönsten Pas de deux vollführen Rosen mit Clematis, hinreißend die Duos mit blauem  und weißem Storchschnabel, Rittersporn, Glockenblume und Katzenminze oder der knallblauen „Anchusa azurea“, Zauberisch wirken weißer Fingerhut, dunkelblauer Lavendel und die rosafarbene ‚Fantin latour’. Der verträumte Reiz der drei ‚Walled Gardens’, Ziegelmauern mit der Patina von Jahrhunderten, wird erhöht durch kniehohe Einfassungen aus Buchsbaum oder Lavendel.

Ohne klassischen ‚Cream-Tea’ bleibt ‚Garden spotting’ unperfekt. Am Ausgang verwöhnen die superfreundlichen ehrenamtlichen Pensionisten des National Trust ‚garden lovers’ mit Tea, Scones, whipped Cream und klebrig-süßer Erdbeerkonfitüre. Ein fulminanter Auftakt, bestätigen wir uns trunken vom Rosenduft und zockeln weiter über kurvige enge Landsträßchen. Zwei Garten-Enthusiastinnen, süchtig nach immer neuen grünen Highlights.

„Ganz England ist ein Garten“. Die Lobpreisung von Rudyard Kipling (1865 – 1936, „Dschungelbuch“) in seinem Gedicht „The Glory of the Garden“ ist nur zu wahr. Deshalb steckte Englands erster Nobelpreisträger (1907) sein Preisgeld von 7 700 Pfund in den eigenen Garten. Das bringt wohl nur ein Brite fertig. 1902 erwarb Kipling mit dem 1634 erbauten Herrenhaus ‚Bateman’s’  ein höchst romantisches Refugium. Das parkartige Areal mit hohen Eibenhecken, alten Mauern und Gartenräumen wurde vom Künstler, wie fast jeder Engländer mit grünen Genen begnadet, raffiniert nobilitiert.

Die Ouvertüre: ein klassischer Küchengarten mit Kräuter- und Gemüsebeeten und einem Laubengang mit Spalierbirnen. Ein schmiedeeisernes Tor mit den Initialien RK – der Schriftsteller zählte mit 35 Jahren zu den Erfolgreichsten der englischsprachigen Welt – führt in den Mulberry Garden mit Strauch-Päonien, Storchschnabel, Rosen und Kletterpflanzen, die die alten Mauern überwuchern.

Hinter dem malerischen, mit Rosen und Klettergrün bewachsenen Herrenhaus überrascht ein Garten.von fast meditativer Kraft, beeinflusst durch die Arts-and-Crafts-Bewegung, die William Morris, Gertrude Jekyll und Edwin Lutyens Ende des 19. Jahrhunderts einleiteten. Eine formal geschnittene hohe Hecke im Halbkreis und darin eine ebenso geformte Holzbank. Ein herrlicher Logenplatz, links gerahmt von einer akkurat getrimmten Lindenallee, um auf den ‚Pond’ zu blicken.

Dieser Seerosenteich war  Ort amüsanter Badefreuden. Im Gästebuch stand hinter manchem Namen das Kürzel „F.I.P.“ für ‚Fell in Pond – Fiel in den Teich’. An seinem Südrand  liegt ein Rosengarten. Von dort genießt man den besten Blick auf Garten und Haus, die ganz im Sinne englischer Gartenkunst eine perfekte ästhetische Einheit bilden. Da verzeiht man dem Nobelpreisträger sein Faible für einen Rolls Royce (der ‚Phantom I’ ist in einer Remise zu bewundern).  Denn eigentlich hätte er das Geld doch besser in seinen Garten stecken können, nicht wahr?! Wir verkraften den Wermutstropfen mit dem üblichen Tea&Scones-Gedeck.

James Sellick, Herr auf Pashley Manor, hat auch sehr viel Geld in der Erde verbuddelt. Doch er  macht den Eindruck eines glücklichen Menschen. 1981 zog sich der Londoner Industrielle zurück in die sanft gewellte Landschaft von East Sussex. Das Herrenhaus mit dreigiebliger Fachwerkfront, Freitreppe zur Gartenseite und überwuchert von blauer Wisteria, wäre titelwürdig für „Country Life“.

Aus dem 3 Hektar großen Areal, einst pure  Wildnis, schufen die neuen Besitzer mit dem Gartenarchitekten Anthony du Gard Pasley ein modernes Paradies mit historischen Reminiszenzen. Ein Terrassenhang führt zu diversen Gartenräumen. Im propperen Küchengarten wirken die Salatkopfreihen wie Kunstwerke, dekorativ von Duftwicken-Pyramiden gerahmt. Nirgends  mickert eine Blüte, kein Mehltau, kein Sternruß, kein Unkraut – dafür sorgen sommers  5 Gärtner.

„Im Frühling gibt es mit 20 000 Zwiebeln Tulpen-Exzesse “, erzählt Mr. Sellick, ein légèr gekleideter graumelierter Gentleman mit unzähligen Lachfalten, stolz. Vor dem Maiglöckchen-Wochenende beißt er sich die Nägel runter und die Nerven liegen blank –  reisen doch Tausende Fans an. Wenn das Wetter nicht mitspielt – „ oh my dear!“ Als die Sellicks 1991 erstmals ihre Pforten öffneten, kamen 1 200 Besucher. 1999 wurde  Pashley Manor „Garden of the Year“,  2008 waren es 30 000 Besucher. Grinsend weist Sellick auf eine opulentes Staudenbeet: „Meine Farben!“ Dahlien, Canna, Crocosmia in kräftigem Rot und Orange, dazu bronzefarbener Fenchel. Eine Komposition so markig und lebensfroh wie Mr.Sellick selbst. Die Rabatte seiner Frau Angela bezaubert mit Rosen in femininen Pastelltönen. Mit Grandezza überreicht uns zum Abschied der Herr von Pashley Manor eine gleichnamige Rose, in sattem Goldgelb leuchtend.

Charles Hamilton war verarmter Aristokrat und Parkomane. Er verwandelte ab1738 Painshill Park (Surrey) zu einem gepriesenen Juwel, das  Englands Upper Class und sogar zwei amerikanische Präsidenten (Adams und Jefferson) bestaunten. Hamilton, studierter Maler und dilettierender Gärtner – damals die einzig akzeptable Betätigung eines Gentleman  – schuf das Idealbild einer elysischen Landschaft, in der Schönheit und Natur kunstvoll zu begehbaren Bildern verschmolzen.. Mit virtuosem Gefühl für Effekte platzierte Hamilton spektakuläre Parkarchitekturen entlang eines langen Teiches. Ein gotischer Tempel als Belvedere, eine (natürlich künstliche) Klosterruine spiegelt sich am Seeufer,  eine zierliche chinesische Brücke führt auf eine Insel. Dort bestaunen wir eine märchenhafte Grotte, spleenig und splendid zugleich: Tausende Stalaktiten aus handgearbeiteten glitzernden Quarzen und Kristallen; „one folly to far“, lacht unsere Führerin Annette. Eine Verrücktheit zu viel? Finden wir gar nicht!

Ein strahlendweißes Türkisches Zelt mit goldenen Federn thront oberhalb des Sees auf einem Hügel. Alles Zitate aus verschiedenen Kulturen und Zeiten, die sich harmonisch zum eigenen Universum fügen. Wir sind überwältigt –  und atemlos. Denn Annette, ehrenamtlicher Guide und deutschstämmige Rentnerin, rast rasant durchs Paradies, das nach Jahren des Verfalls dank Bürgerengagement wieder in Schönheit strahlt. Mit einer Flasche  „Sparkling Painshill Wine“ aus dem revitalisierten Weinberg prosten wir dem armen Mister Hamilton posthum zu. Den ruinierte seine Parkpassion (da befand er sich in guter Gesellschaft mit Fürst Pückler) und  noch vor dem Bau des Herrenhauses war er bankrott.

www.nationaltrust.org.uk

www.pashleymanorgardens.com

www.painshill.co.uk

Empfehlenswerte Übernachtung:
Pelham House, Lewes, East Sussex (herrliches altes Herrenhaus mit kleinem Park inmitten eines mittelalterlichen Städtchens)www.pelhamhouse.com
www.visitsoutheastengland.com