Grüner Laufsteg High Line Park New York

 

Die „Gärtnerin aus Liebe“ im Frühling 2016 im High Line Park, New York

Hier, 26th Street West, ist einer der Aufstiege ins luftige Paradies: Vier Metalltreppen erklimmen und man ist inmitten der grandiosesten Grünen Oase von New York, dem High Line Park. Rund sechs Meter hoch über dem tosenden Verkehr zieht sich eine 2,3 Kilometer lange schmale Trasse wie ein grüne Raupe zwischen Skyscrapern und den typischen roten Brick-Buildings durch den West- Teil von Downtown Manhattan. Jetzt, im Frühling 2016, lugen frische froschgrüne Büschel von Ziergräsern aus den Steinfugen, Gruppen von Himalaya-Birken haben ihr maigrünes Kleid übergestülpt, die weiße Rinde schimmert weithin. Das Laub von purpurroten Heuchera wetteifert mit rostigen Eisenbahnschienen. Dazwischen wippen die zarten Blütenkelche von cremefarbenen Lenzrosen. Erste Geranium-Sorten haben ihre Blüten geöffnet, das gezähnte Laub von Tiarella bildet dichte moosgrüne Teppiche, darüber schweben doldenförmige schaumig-weiße Blüten.

Es ist ein sonniger lauer Spätnachmittag und viele Spaziergänger genießen den Walk in luftiger Höhe. Heitere, entspannte Stimmung herrscht hier oben, die Hektik der brausenden, lärmenden Metropole ist wie durch einen wattigen Schalldämpfer zu vernehmen. Wären nicht diese nervtötenden Polizei- und Feuerwehrsirenen – man könnte es fast idyllisch nennen.

Wahrlich ein kleines Wunder, dass es diesen blühenden Laufsteg auf Stelzen gibt. 1932 wurde die Hochbahntrasse für den Güterverkehr in Betrieb genommen, um die Fleischereibetriebe im „Meatpacking District“ zu beliefern, 1980 fuhr die letzte Bahn. Da Bauland heiß begehrt ist in Manhattan, sollte die gesamte Trasse abgerissen werden, 1991 geschah dies mit einem ersten Teil. Der Rest wurde gerettet, dank der 1999 von Landschaftsplanern, Architekten und Künstlern gegründeten Initiative „Friends of the Highline“. Sie schlug die Metamorphose der Trasse in einen öffentlichen Park vor.

Die Stadt New York spendierte 50 Millionen Dollar für den ersten, 2009 eröffneten Abschnitt. Der dritte Abschnitt wurde 2014 eröffnet, den Unterhalt besorgt der Freundeskreis, der auch kräftig Spenden sammelt. Und er organisiert mit großem Engagement Aktionen zur Pflege, aber auch Führungen durch das ökologische Habitat High Line, es gibt Thai-Chi- und Salsa-Kurse, Feste für Kinder und Kochkurse.

Die Strecke führt vom „Meatpacking District“ durch Chelsea, heute ein angesagtes In-Viertel mit Kreativ-Schmieden und Galerien, bis zur 34. Straße/ 10th Avenue. Oft blitzt der Hudson River durch. Man kann im Sommer ab 7 Uhr morgens seinen Frühsport in luftiger Höhe machen und abends bis 23 Uhr den Sundowner genießen. Von den neun Zugangspunkten sind fünf behindertengerecht. Im Jahr 2010 bekam die Anlage den „Internationalen EGHN- Preis“ des „European Garden Heritage Network“. Die New Yorker und Touristen aus aller Welt lieben den High Line Park, ein quicklebendiger, ökologischer Fluchtweg durch die Betonschluchten des Molochs Manhattan.

Es ist der weltweit bekannteste Park, der zuvor eine schnöde Schienentrasse war. Doch mitnichten der Erste. Vorbild war die „Promenade plantée“ in Paris: die 1969 stillgelegte Eisenbahntrasse wurde ab 1993 in eine öffentliche grüne Promenade verwandelt, der pittoreske urbane Pfad schlängelt sich 12 Kilometer durch das 12. Arrondissement.